Dresdner Hybridbusflotte - Fazit nach einem Jahr Linieneinsatz
07.08.2012
Hybridbusse sind leiser, umweltfreundlicher aber noch zu teuer. So lautet das erste Fazit der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) nach rund einjährigem Linienbetrieb ihrer Hybridbusflotte. Reiner Zieschank, DVB-Vorstand für Technik und Finanzen sowie Vorsitzender der VDV-Landesgruppe Süd-Ost, zieht Bilanz: "Hybridfahrzeuge sind eine sinnvolle Zwischenlösung auf dem Weg zu Elektrobussen ohne eigenes Fahrleitungsnetz. Gefördert über zwei Bundesprojekte wollen wir weitere 24 Hybridbusse beschaffen. Allerdings stehen auch die Hersteller in der Pflicht. Der Preis muss wirtschaftlicher werden und die Technik effizienter. Dafür stehen wir als Praxispartner zur Verfügung". Sein Vorstandskollege Hans-Jürgen Credé, zuständig für die DVB-Bereiche Betrieb und Personal, setzt hinzu: "Die deutlich geringeren Emissionen führen bei unseren Fahrgästen und Fahrern zu breiter Akzeptanz. Damit unterstützen wir die Ziele des Luftreinhalteplans und sorgen für mehr Lebensqualität in der sächsischen Landeshauptstadt. Inzwischen haben wir schon mehr als 400 Busfahrer in die energiesparende Bedienung unserer Hybridflotte eingewiesen".
Unter den wachen Augen der Wissenschaftler rollen seit rund einem Jahr 18 Hybridbusse verschiedener Hersteller durch Dresden. Insgesamt 17 Fahrzeuge von Mercedes Benz, Hess und MAN wurden 2010/2011 im Rahmen der Bundesprojekte SaxHybrid und Regiohybrid beschafft, ein Solaris-Hybridbus befand sich schon seit März 2007 im Bestand des Unternehmens. Koordiniert wurden die Projekte durch die Sächsische Energieagentur (SAENA). Die Hybridbusse fuhren vorrangig auf den nachfragestarken 60er Linien. In Summe wurden bisher 1,2 Millionen Kilometer im Linienverkehr zurückgelegt. Spitzenreiter ist der Solaris von 2007 mit rund 240.000 Kilometern. Alle anderen fuhren im Durchschnitt 70.000 Kilometer, die erst zum Jahresende 2011 gelieferten drei MAN waren bisher knapp 20.000 Kilometer in Dresden unterwegs. Konkrete Langzeitstudien im direkten Vergleich zu normalen Dieselbussen fanden auf den Linien 64 und 94 statt.
Unterschiede erkennbar
Die Auswertung der Daten ergab durchaus Unterschiede zwischen den Fabrikaten, vor allem aber zwischen den einzelnen Fahrern. Während ein normaler Dieselgelenkbus optimiert etwa 48 bis 53 Liter pro 100 Kilometer Fahrtstrecke verbraucht, benötigt die Hybridvariante zwischen 41 und 50 Liter. Die Einsparung beträgt bis zu 16 Prozent. Sie liegt damit gering unter den Erwartungen von 20 Prozent. Etwas schwer taten sich die Busse des Produzenten Hess, deren Verbrauch am oberen Limit lag. Nach einer kompletten Softwareanpassung verbesserten sich die Werte. Wegen der neuentwickelten Technik und damit nötigen Einstellungen ging man davon aus, dass von den Hybridwagen in den ersten beiden Jahren täglich 70 Prozent im Einsatz sind und 30 Prozent in der Werkstatt stehen. Das sieht nach einem Jahr schon besser aus. Fast 80 Prozent der Hybridbusse rollen täglich. Ziel nach der Einlaufzeit sind Verfügbarkeiten über 90 Prozent.
Wissen aneignen
Schnell wurde deutlich, dass die rein elektrischen Antriebe der neuen 17 seriellen Hybridbusse anders gesteuert werden wollen. Um deren volles Potenzial auszuschöpfen, erhalten die Fahrer neben dem obligatorischen Training zur kraftstoffsparenden Fahrweise noch eine zusätzliche Einweisung. Hohes elektrotechnisches Wissen müssen sich die Monteure in der Werkstatt aneignen. Schließlich warten die Hybriden mit stromführenden Komponenten bis 1000 Volt auf, die bei unsachgemäßer Handhabung schnell lebensgefährlich werden. Nach jeweils rund 100 Schulungsstunden konnten bisher 13 Kollegen für die Wartung zertifiziert werden.
Sauber und leise
Ihr wahres Leistungsvermögen zeigen die Hybridbusse bei Betrachtung der Emissionswerte. Der Dieselmotor wird nicht zum Fahren sondern nur zum Nachladen der elektrischen Speicher benötigt und kann daher stets im günstigsten Drehzahlbereich arbeiten. Schon jetzt ergibt sich bezogen auf die übliche Gesamtlaufleistung eines DVB-Busses von etwa 1.000.000 Kilometern während seiner zwölfjährigen Lebensdauer eine Treibstoffeinsparung von rund 80.800 Litern gegenüber dem klassischen Dieselbus. Das entspricht einer Vermeidung von fast 210 Tonnen Kohlendioxid und hochgerechnet auf die aktuelle DVB-Hybridbusflotte von 3.780 Tonnen. Bei einer Komplettausstattung der etwa 150 Busse umfassenden Flotte mit Hybriden würde der Ausstoß um mehr als 31.000 Tonnen Kohlendioxid reduziert. Gleichermaßen entstehen weniger Kohlenwasserstoffe und Partikel. Besonders bemerkenswert sind die Stickoxid-Werte. Bei modernen Dieselmotoren werden Stickoxide durch Zusätze von Harnstoff im Abgassystem chemisch umgewandelt. Der Verbrauch dieser "AdBlue" genannten Flüssigkeit ist Indikator für die Menge der Stickoxid-Reduzierung und liegt bei den Hybridbussen fast 50 Prozent über dem klassischer Dieselbusse. Ebenso deutlich ist der Unterschied bei der Lärmemission. Mit ihren kleineren Dieselmotoren erzeugen die Hybriden nur wenig Geräusch, fahren zeitweise völlig elektrisch. Hier hat der mit Leistungsakkumulatoren bestückte Mercedes gegenüber den Bussen mit hochkapazitiven Kondensatoren (Supercaps) klar die Nase vorn. Er schafft beinahe lautlos bis zwei Kilometer Streckenlänge. Fahrgäste berichten beeindruckt "?wenn der Diesel abschaltet und der Bus wie von Geisterhand dahingleitet, dann kommt zum guten Gefühl als ÖPNV-Kunde per se auch die Gewissheit, mit modernster Technik aktiv am Klimaschutz beteiligt zu sein?".
Reserven vorhanden
Bisher nicht überzeugen konnte die Heizungs- und Klimatechnik. An den kleineren Dieselmotoren fällt weniger Motorhitze ab und somit muss im Winter zugeheizt werden. Dann bleiben zwar die hervorragenden Emissionswerte, die Einsparung beim Verbrauch geht dagegen teilweise verloren. Auf die Entwicklung energiesparender Klimaanlagen sollten die Hersteller besonderes Augenmerk legen. Hier sehen Fachleute viel Potenzial, Komfortwünsche der Fahrgäste mit wirtschaftlichen Zwängen in Einklang zu bringen. Auch das Energiemanagement im Bus muss künftig intelligenter mit den Streckenbesonderheiten korrespondieren. Das heißt, der Bus erkennt selbst, dass er vorm Krankenhaus nur leise elektrisch vorbeifahren darf und lädt vorher seinen Speicher. Oder er steuert die Nebenaggregate lieber bergab als bergauf, wenn Bremsenergie direkt umgewandelt werden kann. Prädiktive Steuerung nennen die Experten das. Dazu ein Fahrerassistenzsystem, das dem Fahrer signalisiert wann er wie stark beschleunigen sollte. Am deutlichsten aber muss am Preis gearbeitet werden. Mit rund 700.000 Euro sind diese Busse etwa doppelt so teuer wie herkömmliche. Wirtschaftlich betrachtet, kommt die Beschaffung nur bei hohen Förderquoten von 50 Prozent und mehr in Betracht. Möglicherweise ergeben sich aus der Fertigung größerer Stückzahlen geringere Preise. Hier sind die Hersteller gefragt.
Mehr Hybridbusse geplant
An der bayerisch-sächsischen Bewerbung zum Bundesprojekt "Schaufenster Elektromobilität" haben sich die Verkehrsbetriebe mit der geplanten Beschaffung weiterer 18 Hybridbusse beteiligt. Damit soll nicht nur die komplette Buslinie 64 bestückt werden. Bestandteile der Bewerbung sind vor allem die Weiterentwicklung des prädiktiven Energiemanagements, die effektivere Nutzung der Abgaswärme sowie die Senkung der Fahrzeuggewichte durch Einsatz beispielsweise von Leichtbaurädern. Aktuell beteiligen sich die DVB noch an einem zweiten Bundesprojekt. Mit Hilfe des Umweltministeriums sollen so weitere acht Hybridbusse finanziert werden.
Elektrische Visionen
Sachsen nimmt schon heute eine Vorreiterrolle bei der flächigen Einführung der Hybridbustechnik ein. Das entspricht der aktuellen Strategie zur Ausrichtung des europäischen Verkehrsraums unter Einhaltung strengster Emissionsrichtlinien. Speziell in Dresden werden damit die ehrgeizigen Ziele des Luftreinhalteplans unterstützt. Weitere Forschungen sollen technische Lösungen für einen rein elektrischen Betrieb der Busse ermöglichen. Genau dafür planen die DVB ein Pilotprojekt für die Quartierbuslinie 79 zwischen Mickten und Übigau. Die Nachladung der elektrischen Speicher würde drahtlos am Endpunkt mittels induktiver Energieübertragung erfolgen. Ein Zyklus reicht für die komplette Runde. Und das Beste: Die Ladestation in Mickten könnte gleich auf die vorhandene Stromversorgung der Straßenbahn zurückgreifen. Selbst die Nutzung rückgespeister Bremsenergie der Bahnen zum Nachladen des Busses ist möglich. Alle Einzelprojekte sollen Meilensteine auf dem Weg zum rein elektrischen und damit umweltverträglichen ÖPNV sein.
Auf einen Blick:
siehe angehangene PFD
Erkenntnisse:
+ Dieseleinsparung bis zu 16 Prozent
+ Verfügbarkeit über den Erwartungen
+ Lange Lebensdauer des Dieselmotors durch Betrieb im optimalen Drehzahlbereich
+ Deutlich bessere Emissionswerte, vor allem weniger Stickoxid, Kohlenwasserstoff, Partikel
+ Geringe Geräuschentwicklung innen und außen, im Stand und auch während der Fahrt
- Heizölbedarf im Winter zu hoch, Abhilfe: Nutzung Abgaswärme als zusätzliche Heizung
- Fahrerassistenzsystem für Beschleunigung fehlt noch
- Intelligente Steuerung, prädiktives Energiemanagement verbessern
- Verringerung Fahrzeuggewicht durch Leichtbaukomponenten
- Preisgestaltung