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Die letzten drei gehen ins Dresdner Straßenbahnmuseum: Keine Tatra-Bahnen mehr im Fahrgastbetrieb

01.06.2023

Nach 56 Jahren sind die Tage der Tatra-Straßenbahnen im öffentlichen Fahrgastbetrieb der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) gezählt. Die letzten drei Wagen wurden heute von den DVB-Vorständen Andreas Hemmersbach und Lars Seiffert als historische Fahrzeuge dem Dresdner Straßenbahnmuseum übergeben. Ab sofort befördern sie Fahrgäste nur noch bei Sonderfahrten des Museumsvereins. Extra dafür haben die Museumsmitglieder am Sonnabend einen Sonderfahrtag mit Tatras aller Generationen organsiert.

Bereits 2010 wurden die Tatras aus dem regulären Liniendienst der DVB entlassen. Sie fuhren lediglich noch als Verdichtung der Linie 3 im Studentenverkehr oder bei speziellen Fahrten im Schülerverkehr. Zuletzt waren die verbliebenen zehn Einzelwagen, aus denen bis zu vier Züge mit zwei oder drei Wagen gebildet werden konnten, als Verstärkerfahrten für Fußballspiele und andere Großveranstaltungen im Einsatz. Auch während der schwierigen Ersatzteilversorgung in der Corona-Zeit durften die Tatras vorrübergehend noch einmal auf Linienfahrt gehen. Mit laufender Inbetriebnahme der neuesten Dresdner Stadtbahngeneration ist der Fahrzeugbestand ausreichend. Damit endet der Tatra-Einsatz im Fahrgastbetrieb endgültig. Zwar erfreuen sich die Wagen wegen ihrer Seltenheit bei Fans großer Beliebtheit, im täglichen Fahrgastbetrieb werden sie wegen der fehlenden Barrierefreiheit vor allem von mobilitätseingeschränkten Personen längst nicht mehr akzeptiert. Im DVB-Bestand bleiben nur die Kinderstraßenbahn Lottchen, der Fahrleitungsmesswagen, der Schienenschleifwagen sowie einzelne Sonderwagen, beispielsweise für den Einsatz des Schneepfluges. Alle anderen Tatra-Wagen werden zum Verkauf angeboten. 

Prager ČKD-Werk lieferte mehr als 800 Tatra-Wagen nach Dresden

Nach den MAN-Wagen, dem legendären Hecht und den zweiachsigen Wagen aus DDR-Produktion endet nun eine weitere, fast sechs Jahrzehnte lange Ära der Dresden Straßenbahn: Mit ihrer Omnipräsenz prägten die Tatra-Wagen seit den späten sechziger Jahren das Stadtbild der sächsischen Landeshauptstadt. Erst rot, später gelb lackiert, fuhren sie in Zugkombinationen, die aus zwei oder drei Einzelwagen bestanden.

 

Der marode Vorkriegswagenpark und die nahe Einstellung der Straßenbahnproduktion in der DDR hatten die Dresdner veranlasst, im November 1964 einen sechsmonatigen Probebetrieb des in Prag hergestellten T3-Triebwagens zu vereinbaren. Auf Basis dieser Erfahrungen entstand eine schmalere Version: der T4D. Den Prototyp mit der Nummer 2000 kann man noch heute im Straßenbahnmuseum bewundern. Durch gutes Verhandlungsgeschick war es in Dresden möglich, ab 1967 als erste ostdeutsche Stadt diesen Wagentyp einzuführen und sogar die Generalvertretung für die DDR zu übernehmen. Allerdings verzögerte sich die erste größere Lieferung. In Anspielung auf die Ereignisse während des Prager Frühlings erhielten die Tatras deshalb den Spitznamen „Dubčeks letzte Rache“. Aber bis 1984 lieferten die Prager ČKD-Werke insgesamt 572 Triebwagen und 249 Beiwagen nach Dresden. Im Vergleich zu den abgelösten Vorkriegsfahrzeugen waren sie schneller, boten mehr Platz und besseren Komfort für Fahrgäste wie Fahrpersonal.

 

Ersatzteilmangel führte zur Kannibalisierung

Allerdings stellte sich mit der Tatra-Lieferung nach Dresden auch schnell Ernüchterung ein. Die nicht ausreichend erprobten Wagen wiesen Mängel auf. Der hohe Einstieg war ein fast unüberwindbares Hindernis für Kinderwagen und Rollstühle. Das größte Problem ergab sich jedoch aus den unregelmäßigen Ersatzteillieferungen aus Prag, die teilweise aufwändig durch die DVB-eigenen Werkstätten oder anderen DDR-Betrieben kompensiert werden mussten. Später kam es gar zur Kannibalisierung von bereits wegen technischer Schäden abgestellter Fahrzeuge. Teilweise waren nur rund 50 Prozent des Fuhrparks einsatzbereit. Dennoch erhöhte sich der Anteil der eingesetzten Tatra-Bahnen auf den Linien. Im Oktober 1988 wurde mit der „4“ die letzte Linie auf reinen Tatra-Betrieb umgestellt. Ein 1986 erstmals nach Dresden geliefertes Nachfolgemodell vom Typ T6A2 wurde von den Wendeereignissen überrascht. Eine Serienlieferung kam nicht mehr zustande.

 

Bequem und barrierefrei: Die Neuen aus Bautzen

Die neuen Möglichkeiten nach dem Mauerfall nutzend, orientierten sich die Dresdner Verkehrsbetriebe auf den Neukauf von Bahnen aus heimischer Produktion. Bereits 1995 fuhr der erste Niederflurwagen von Typ NGT 6DD auf Dresdens Schienen. Bis zur Erneuerung des kompletten Wagenparks bedurfte es aber noch des Einsatzes der vorhandenen Tatra-Bahnen. Deshalb modernisierten die DVB Anfang der 90er Jahre zahlreiche Tatras, die bei dieser Gelegenheit gleich ihre gelb-schwarze Lackierung erhielten. Ausgemusterte, aber noch fahrfähige Tatras wurden verkauft. Bis 2010 wartete in Osteuropa oder Asien meist eine zweite Karriere auf die eigentlich robusten Bahnen. Bereits durch Kannibalisierung ausgeschlachtete Fahrzeuge wanderten auf den Schrottplatz.

Ab 2003 lieferten die Bautzner Straßenbahnproduzenten einen moderneren Typ Niederflurwagen nach Dresden. Mit 45 Metern galt der NGT D12 DD seinerzeit als längste Straßenbahn der Welt. Bis heute stieg die Zahl der Dresdner Niederflurwagen auf 166. Das reicht aus, um das bisherige Dresdner Linienangebot barrierefrei zu bedienen. Weitere 20 Jahre später kommt nun mit dem NGT DX DD, ebenfalls aus sächsischer Produktion, die neueste Fahrzeuggeneration nach Dresden. Sie löst neben den Tatras auch die ersten Stadtbahnen aus den 1990er Jahren ab.

Tatras bleiben für Sonderfahrten im Museum

Die letzten drei gelben Tatras aus dem aktiven DVB-Bestand finden nun im Straßenbahnmuseum ihre neue Heimat. Zusammen mit dem roten Dreierzug aus den Anfangsjahren der Dresdner Tatra-Geschichte und dem kurz vor dem Mauerfall gelieferten Dreierzug vom Typ T6A2 bilden Sie in Zukunft den Bestand der historischen Tatra-Bahnen. Um den langen Einsatz dieser Straßenbahngeneration noch einmal zu würdigen, lädt der Museumsverein am Sonnabend, dem 3. Juni 2023, von 16 bis 22 Uhr zu stündlichen Sternfahrten ein. Abfahrt ist immer zur vollen Stunde am Postplatz in alle Himmelsrichtungen. Neben den noch für Passierbetrieb zugelassenen historischen Tatras, in dem natürlich auch Fans mitfahren dürfen, sind für Foto-Fans auch Arbeitswagen und die Kinderbahn Lottchen unterwegs. Wer in den historischen Tatras mitfahren möchte, bezahlt drei Euro pro Rundfahrt. Der ermäßigte Preis beträgt zwei Euro, für sieben Euro kann die ganze Familie mitfahren. Für alle drei Kategorien werden auch Tageskarten zum Preis von acht, fünf und zwanzig Euro angeboten. Die gelten dann für mehrere Fahrten.   

Schon am Vormittag von 10 bis 12 Uhr können Besucher an Führungen durch das Straßenbahnmuseum teilnehmen und die Exponate bewundern. Gegen 14 Uhr reihen sich dann alle betriebsfähigen Tatras für einen Fototermin auf, bevor es zur Sternfahrt zum Postplatz geht. Alle Informationen zum „Tatra-Sonderfahrtag“ findet man auch auf der Museums-Homepage www.strassenbahnmuseum-dresden.de.

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Zahlen und Daten

 

Nach Dresden gelieferte Tatra-Wagen (aus Prag)

 

Baujahr

Triebwagen T4D

Beiwagen B4D

Triebwagen T6A2

Beiwagen B6A2

1967

1

 

 

 

1969

78

 

 

 

1970

67

7

 

 

1971

38

46

 

 

1972

50

37

 

 

1973

53

26

 

 

1974

68

33

 

 

1975

59

29

 

 

1976

48

36

 

 

1977

20

 

 

 

1978

44

20

 

 

1979

10

 

 

 

1981

18

 

 

 

1982

 

5

 

 

1983

4

 

 

 

1984

14

10

 

 

1986

 

 

2

1

1988

 

 

2

1

 

Gesamt

572

249

4

2

 

Verkäufe von ausgemusterten Tatra-Wagen

1996 – 10 T4D nach Rostov am Don (Russland)

1997 – 12 T4D nach Pjöngjang (Nordkorea); 1 T4D für Dresdner Feuerwehr

1998 – 46 T4D und 1 T4D MI nach Pjöngjang (Nordkorea)

2000 – 5 T4D und 7 T4D MI nach Galati (Rumänien)

2001 – 5 T4D und 10 T4D MI nach Botosani (Rumänien)

2002 – 10 T4D MI nach Botosani (Rumänien); 16 T4D MI nach Vladikavkaz (Russland)

2003 – 4 T4D MI und 14 B4D MS nach Oradea (Rumänien); 1 T4D MT nach Gera

2004 – 7 T4D MS und 11 B4D MS nach Oradea (Rumänien)

2005 – 1 T4D MS und 1 TB4D nach Szeged (Ungarn); 1 B4D MS nach Gera

2006 – 10 T4D MS nach Almati (Kasachstan)

2007 – 13 T4D MT und 11 TB4D nach Craiova (Rumänien)

2010 – 9 T4D MT an Fahrzeugwerke Brandenburg

 

Nach Dresden gelieferte Stadtbahnwagen (aus Bautzen)

Typ                          Anzahl                Länge                                      Auslieferungszeit

NGT 6 DD                   60                    30 m                                       1995 - 1998

NGT 8 DD                   23                    41 m                                       2000 - 2002

NGT D12 DD               32                    45 m                                       2003 - 2005

NGT D12 DD               11                    45 m                                       2009 - 2010

NGT D8 DD                 40                    30 m                                       2006 – 2009

Gesamt                      166

NGT DX DD                 14 (von 33)     43 m                                        2021 - 2023


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